Offener Brief an die Dresdner Versammlungsbehörde

Seit Jahren wird in Dresden über das Versammlungsgeschehen diskutiert. Hierbei stand die Dresdner Versammlungsbehörde (VB) oftmals in der Kritik. Deren Arbeit wurde bereits 2018 im Auftrag von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) durch ein Gutachten geprüft. Im November 2020 hat die Versammlungsbehörde ein Statement „In eigener Sache“ veröffentlicht. Aus nach wie vor aktuellem Anlass möchten wir als Arbeitskreis Kritische Geographie Dresden auf diese Stellungnahme antworten.


Liebe Mitarbeiter*innen der Dresdner Versammlungsbehörde,

mit großem Interesse haben wir Ihr Schreiben „In eigener Sache“ vom November 2020 gelesen. Wir begrüßen es sehr, dass Sie bemüht sind, Ihre Arbeit und Entscheidungen hinsichtlich des Verbots oder der Bestätigung von politischen Versammlungen in Dresden transparent zu machen. Wir begreifen die Versammlungsfreiheit als ein ebenso wichtiges Gut, wie Sie es einleitend beschreiben. Deshalb wollen wir Ihre Stellungnahme gerne aufgreifen und die damit angestoßene Diskussion weiterführen. 

Anhand von zehn Fragen erläutern Sie weitgehend schlüssig, warum Sie als Behörde rechte Demonstrationen und Kundgebungen „nicht einfach verbieten“ können. Stattdessen betonen Sie in der Stellungnahme, dass es Aufgabe der Zivilgesellschaft sei, „[…] die politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu suchen und dadurch die Wirkungen rechtsextremer Versammlungen und Aufmärsche zu minimieren.“

Auch wir sehen die Zivilgesellschaft in der Verantwortung, sich Rechtsextremismus entgegen zu stellen. Der Verweis auf andere Zuständigkeiten entbindet staatliche Institutionen jedoch nicht davon, ebenfalls zum Schutz des Rechtsstaats beizutragen. Im Besonderen betrifft das die Versammlungsbehörde. Es ist unter anderem Ihre Aufgabe, Gefahren, die mit rechtsextremen Versammlungen einhergehen, in den Blick zu nehmen und weitergehend zu bewerten.

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Der Markt wird es nicht regeln: Zur Notwendigkeit einer sozialpolitischen Regulation des Dresdner Wohnungsmarktes

Die rechten und konservativen Parteien im Dresdner Stadtrat wollen die Quote für den geförderten Wohnungsbau im kooperativen Baulandmodell von 30% auf 15% senken. Erst im November 2020 hatte sich ein Kompromiss zwischen den Stadtratsfraktionen angedeutet, der irgendwo zwischen diesen beiden Werten lag. Wie dieses Vorhaben im Stadtrat letztlich entschieden wird, ist derzeit noch offen. Die Senkung der sogenannten Sozialquote entspricht dem neoliberalen Paradigma, soziale Belange zunehmend über Marktmechanismen zu regeln und wettbewerbsorientiert zu bearbeiten.

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Die Notwendigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements zum 12.12 in Dresden

Am 12.12.2020 wollen die sogenannten Querdenker:innen in Dresden gegen die Auflagen zum Schutz gegen die Ausbreitung der Covid-19 Pandemie demonstrieren. Diese Veranstaltung wurde am 8.12.2020 von Seiten der Stadt Dresden im Kontext der Ankündigung des neuen Lockdowns zu unterbinden. Die Querdenker:innen wollten diese Entscheidung juristisch rückgängig machen und die Versammlung wie geplant durchführen. In den vergangen Wochen wurde auf diversen rechtsradikalen und verschwörungstheoretischen Kanälen überregional zu diesem Anlass nach Dresden mobilisiert. Continue reading

Stellungnahme zur polizeilichen Begleitung unseres KRETA-Workshops

Am vergangen Freitag, den 23.10.2020 wurde unser Stadtrundgang und Workshop zum Thema öffentliche Räume von mehreren Beamt:innen der Polizei Sachsen begleitet. Ziel unserer Veranstaltung war es die Nutzung und Gestaltung öffentlicher Räume kritisch zu diskutieren und herauszuarbeiten, inwiefern diese durch ihre Gestaltung und Überwachung zur gesellschaftlichen Polarisierung beitragen können. Fälschlicherweise nahm die Polizei an, bei der Veranstaltung handle es sich um eine Spontankundgebung. Obwohl wir dieses Missverständnis sofort aufklärten, beobachtete die Polizei unseren Input, die Erkundungsgänge in Kleingruppen sowie die Abschlussdiskussion. Alle Teilnehmer:innenempfanden die Beobachtung durch die Polizei als einschränkend und die Qualität der Veranstaltung litt durch mangelnde Konzentration. Trotzdem kam es dank des umsichtigen Verhaltens aller Teilnehmer:innen zu keiner weiteren Eskalation. Die Veranstaltung war im Vorfeld klar als Teil der KRETA, und damit als Bildungsveranstaltung, beworben worden und somit waren wir auf dieses Vorgehen der Polizei Sachsen nicht im Geringsten vorbereitet. Wir finden die mangelnde Trennschärfe seitens der Polizei nach wie vor äußerst seltsam und können uns noch immer nicht erklären, wie diese falsche Einschätzung der Polizei entstand. Continue reading

Kann das Weg oder ist das Müll?

Auf dem diesjährigen Umundu-Festival in Dresden haben wir versucht, eine Perspektive auf Müll als Gegenstand einer kritischen Geographie zu entwickeln. Dafür haben wir uns mit der subjektiven Abwertung, die Müll zu Müll macht beschäftigt und hinterfragt welche sozialen Abwertungen damit einhergenden. Wir haben skizziert, wie diese kontextspezifische Abwertung auch räumlich auf lokaler Ebene, geknüpft an Fragen der Umweltgerechtigkeit – z.B. wer wohnt neben der Deponie – aber auch auf globaler Ebene – bspw. entlang ehemals kolonialer Strukturen – stattfindet.

Hier findet ihr unsere Vortragsfolien des Workshops Kann das weg oder ist das Müll wenn ihr Fragen dazu habt oder gerne mit uns diskutieren wollt, schreibt uns eine Mail.

Warum es keine unpolitischen Geographiestudierenden geben darf

(Dieser Artikel erschien bereits in der Sonderausgabe der Geographikerin zum DKG im September 2019)

Was ist Geographie?

Die Geographie als Wissenschaft beschäftig sich mit der Erdoberfläche, dem Menschen, seiner materiellen und geistigen Umwelt, sowie dem Zusammenhang zwischen beiden. Ihre besondere Stärke ist dabei, dass sie Natur- und Gesellschaftswissenschaften verbindet, eine Brücke schlägt zwischen verschiedene Perspektiven und Methoden und somit vielfältige Zusammenhänge beschreibt und betrachtet (vgl. Deutsche Gesellschaft für Geographie DGfG: Geographie).

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Soziale Leere der digitalen Lehre

Eine studentische Perspektive zur digitalen Lehre und Selbstdarstellung der TU Dresden im Sommersemester 2020.

Nach wie vor fordern die Auswirkungen der Corona-Pandemie Anpassungen, Improvisationen, neue Überlegungen – der Zustand der Ausnahme tritt klar zu Tage. Klar ist auch, dass alle Menschen mehr oder weniger stark betroffen sind. Sowohl Einzelpersonen als auch Institutionen müssen momentan einen geeigneten Weg finden, mit der gegenwärtigen Situation umzugehen. Sei es dabei, finanziell über die Runden zu kommen oder ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Dies nimmt insbesondere staatliche Insitutionen in die Pflicht – jedoch macht der Umgang mit der Krise an diesen Stellen deutlich, wessen Probleme als dringlich und wichtig angesehen werden. Über die Schwierigkeiten, Benachteiligungen und Polarisierungen, die mit solchen Veränderungen einhergehen, wird geschwiegen. Dieser Beitrag möchte deshalb versuchen, einen kritischen Blick auf den aktuellen Umgang der Technischen Universität Dresden (TU) mit der Corona-Pandemie zu werfen. Er möchte außerdem aufzeigen, dass Digitalisierung nicht nur eine Frage der Technik ist.

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Zum Klassencharakter der Coronapandemie

Seit einigen Monaten befindet sich die Welt im Ausnahmezustand. Schon jetzt ist abzusehen, dass die aktuelle COVID 19 Pandemie fundamentale gesellschaftliche und politische Transformationen mit sich bringen wird. Während nachbarschaftliche Solidarität und Rückzug ins Private – wovon wiederum Menschen ohne Wohnung, in Geflüchtetenunterkünften oder Knästen ausgeschlossen bleiben – weiterhin geboten zu sein scheinen, sorgen sich gleichzeitig viele Menschen angesichts des zunehmend autoritären Vorgehens vieler Staaten. An der Hoffnung festhaltend, dass diese Transformation auch ein emanzipatorisches Potential haben könnte, welches es nun zu erkämpfen gilt, formulieren wir folgende Analyse und Kritik am aktuellen Vorgehen der kapitalistischen Staaten. Continue reading

Stellungnahme zur aktuellen faschistischen Mobilisierung in Griechenland

Seit einigen Tagen versuchen erneut tausende Menschen, die zum Teil seit Jahren auf der Flucht vor Gewalt und Unterdrückung sind, Europa zu erreichen. An der EU-Außengrenze werden sie daran aber gewaltsam gehindert. Das nekropolitische Grenzregime der EU-Außengrenzen – d.h. das Sterbenlassen wird als legitim konstruiert, welchem seit 2014 ungefähr 20.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, wird weiterhin aufrechterhalten. Was neu ist: Faschist_innen reisen nach Griechenland, um dort – scheinbar unbehelligt – gegen Geflüchtete zu vorzugehen. Continue reading